Am „Internationalen Tag gegen Rassismus“ (21.03.2022) hat Spandau vor dem Rathaus Spandau ein deutliches Zeichen gegen Ausgrenzung, Diskriminierung und Intoleranz gesetzt. Gemeinsam mit der Bezirksbürgermeisterin und dem Bezirksbeirat für Partizipation und Integration zeigte HÎNBÛN Haltung gegen Rassismus. Kamalasani Ponnampalam, die neue Leiterin von HÎNBÛN, fand eindrucksvolle Worte:

Mein Name ist Kamalasani Ponnampalam, ich bin als 23-Jährige 1985 ohne Eltern aus Sri Lanka nach Deutschland geflohen und bin heute die neue Leiterin des Internationales Bildungs- und Beratungszentrum für Frauen & ihre Familien in Berlin-Spandau, HÎNBÛN. In dieser Funktion und stellvertretend für den Bezirksbeirat für Partizipation und Integration Spandau wurde ich gebeten, heute meinen Standpunkt einzubringen.

Wie gesagt, bin ich neu in Spandau (ich habe über 30 Jahre in anderen Stadtteilen Berlins gearbeitet) und staune darüber, was hier in Spandau alles möglich ist. Drei Punkte möchte ich kurz nennen:

Als eine Frau mit Migrations- und Fluchthintergrund habe ich die Leitungsstelle bei HÎNBÛN erhalten. Das war von Seiten des evangelischen Kirchenkreises Spandau eine bewusste Entscheidung für Vielfalt und für mehr Gleichberechtigung auch in den oberen Etagen der sozialen Hierarchie. Andere Träger und Bezirke könnten sich dies zum Vorbild nehmen.

Auch die vielen Beratungsstellen auch für Menschen mit Flucht- und Migrationserfahrung in Spandau, zu denen HÎNBÛN gehört, sind Ausdruck des aktiven Ringens verschiedener Träger und des Bezirks darum, institutionelle Unterstützung sicherzustellen und auch ihnen Zugänge zu Ressourcen zu eröffnen.

Schließlich zeigt auch die Geschichte des Bezirksbeirat für Partizipation und Integration Spandau, wie engagiert sich Menschen und Institutionen hier in Spandau für den Abbau rassistischer Diskriminierung und den Aufbau solidarischer gleichberechtigter Strukturen einsetzen.

Der heutige Tag gegen Rassismus veranlasst uns jedoch, nicht nur die Erfolge im Kampf gegen Rassismus zu feiern, sondern auch hinzusehen, welche Aufgaben noch vor uns liegen. Und hierzu möchte ich in aller Kürze auf drei Punkte eingehen:

– den Alltagsrassismus,

– den strukturellen Rassismus und

– nicht zuletzt auf den Krieg.

Zum Alltagsrassismus:

Vorab: Wir können uns in Spandau glücklich schätzen, dass es hier nicht zu tödlichen rassistisch motivierten Anschlägen gekommen ist wie in Hanau, Halle oder Mölln. Doch auch hier in Spandau erfahren Menschen, die nicht Deutsch gelabelt werden, rassistische Diskriminierung. Aus der Beratungsarbeit in HÎNBÛN könnte ich Ihnen vieles erzählen, ich möchte jedoch mit einem persönlichen Beispiel anfangen:

Letzte Woche, auf dem Weg zur Arbeit, habe ich einen Mann in der U-Bahn gebeten, seine Maske aufzusetzen. Daraufhin meinte er laut pöbelnd zu seinem Begleiter: Schau mal, ein Merkel–Kind. Jetzt fangen die schon an, uns zu sagen, was wir tun oder lassen sollen. Darauf folgten weitere laute Beleidigungen, die ich hier nicht wiederholen will, bis zum bekannten: „Geh doch zurück, wo Du hergekommen bist.“ Können Sie sich vorstellen, dass keiner in der U-Bahn – es saßen bestimmt 20 Leute dort, die das Pöbeln gehört haben müssen – mir zur Hilfe gekommen ist? Alle taten so, als wäre nichts. Nur ein einziger junger Mann zeigte mir mit Zeichensprache, dass ich die Männer ignorieren solle, die hätten einfach einen Schaden. Ich war schockiert. Doch dann fiel mir ein, dass es hier nicht nur um mich geht. Daraufhin ging ich zu dem jungen Mann und sagte: „Helfen Sie mir. Wir gehen jetzt zu den beiden und sagen, dass sie aufhören sollen.“ Daraufhin half mir der junge Mann, wir gingen zu den Beiden, es folgte ein kurzer Wortwechsel und bei der nächsten Haltestelle verließen die beiden Männer die U-Bahn.

Dieses Beispiel erzähle ich Ihnen, weil es zweierlei zeigt: Zum einen wie weit verbreitet und aktuell Alltagsrassismus immer noch ist, zum anderen aber auch wie das persönliche Handeln von jedem/jeder einzelnen von Ihnen dazu beitragen kann, die Situation für die/den von Rassismus Betroffenen zu ändern. In diesem Sinne: Möge dieser Tag uns alle daran erinnern, dass unser persönlicher Einsatz auch in kleinen Alltagssituationen nötig ist, um Rassismus zu begrenzen, solange im Alltag Diskriminierungen noch vorkommen.

Nun zum Strukturellen Rassismus:

In unsere Beratungsstelle kommen die Frauen nicht nur mit Erfahrungen von Alltagsrassismus, sondern auch mit vielfältigen Erfahrungen von strukturellem Rassismus. So berichten Frauen von den Problemen, die ihre Kinder in der Schule haben. Hier im Beratungsalltag bestätigt sich, was ich im letzten Jahr wissenschaftlich untersucht hatte: Bildungsgerechtigkeit ist noch lange nicht erreicht. Bis heute haben Kinder aus Familien mit Migrationshintergrund, v.a. aus denen mit sozial schwachem Status, ein wesentlich höheres Risiko zu den leistungsschwächeren Kindern zu gehören. Der Trend setzt sich fort zur größeren Wahrscheinlichkeit, letztendlich als Erwachsener zu den „working poor“ zu gehören. Gemeinsam mit den Autoren der IGLU- und der PISA-Studien fordere ich gerade an diesem Tag, die Benachteiligungen für Kinder und Jugendliche mit Migrationshintergrund abzubauen und das Recht auf Bildungsgerechtigkeit endlich auch für Kinder und Jugendliche aus Familien mit Migrationshintergrund und schwachem sozialen Status zu realisieren.

Nun zu meinem letzten Aspekt: dem aktuellen Krieg in der Ukraine:

Ich bewundere die Empathie und die Unterstützung seitens der Politik und der Zivilgesellschaft für Ukrainer*innen, die auf der Flucht sind.

Doch gerade an diesem „Internationalen Tag gegen Rassismus“ und mit Blick auf die Menschen aus der Ukraine, die am Grenzübertritt gehindert wurden, wie auch mit Blick auf Menschen aus anderen Kriegsgebieten, die vergeblich versuchen, nach Europa zu kommen, und dabei nicht selten ihr Leben verlieren, schließe ich mich dem Appell von Pro Asyl an: „Eins muss klar sein: Die Bomben machen keinen Unterschied, was Staatsangehörigkeit oder Hautfarbe betrifft, und genauso wenig darf an den Grenzen ein solcher Unterschied gemacht werden. Die Grenzen müssen für alle Fliehenden – aus der Ukraine und anderen Ländern – offen sein!“ (Karl Kopp, Leiter der Europa-Abteilung von PRO ASYL, siehe: https://www.nds-fluerat.org/52293/aktuelles/pro-asyl-zur-flucht-aus-der-ukraine-fluchtwege-fuer-alle-menschen-offen-halten/)

Ich freue mich über die große Hilfs- und Spendenbereitschaft für die Ukraine. Und wünsche mir gerade an diesem Internationalen Tag gegen Rassismus unseren Einsatz auch bezogen auf die – laut der UN – „größte humanitäre Krise der Welt“, – im Jemen. Vor drei Tagen waren hier auf der diesjährigen UN-Geberkonferenz weniger als die Hälfte der Spenden zusammengekommen, die benötigt werden. 19 Millionen Menschen sind dort vom Hunger bedroht. 400.000 Kinder sind bereits heute so schwer mangelernährt, dass sie jeden Tag um ihr Überleben kämpfen. Angesichts dieser Situation nannte UN-Generalsekretär António Guterres das Kürzen von Hilfsgeldern „ein Todesurteil“. (https://www.zdf.de/nachrichten/politik/jemen-geberkonferenz-hunger-100.html)

Zusammen mit Benjamin Vienot, Landesdirektor von Aktion gegen den Hunger im Jemen appelliere ich deshalb am heutigen Tag gegen Rassismus: (Sein Zitat:))„Die internationale Gemeinschaft steht in der Verantwortung, menschliches Leid zu lindern – und das unabhängig davon, ob es vor der eigenen Haustür geschieht oder nicht!“ (https://www.epo.de/index.php?option=com_content&view=article&id=16456:jemen-enttaeuschendes-ergebnis-bei-un-geberkonferenz&catid=30&tmpl=component&layout=default&Itemid=72.)

Ich verurteile den Brandanschlag auf die deutsch-russische Schule in Berlin, der durch nichts zu rechtfertigen ist.

Um Menschenleben in der Ukraine und in Russland zu retten und Rassismus gegen Russen hier zu verhindern fordere ich gemeinsam mit den Ärzten von IPPNW- Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges / Ärzte in sozialer Verantwortung e.V.“ von der Bundesregierung gerade an Internationalen „Tag gegen Rassismus“

sich für einen Waffenstillstand zwischen Russland und der Ukraine einzusetzen

auf eskalierende Reaktionen und eine demütigende Rhetorik zu verzichten

sich für die Aufrechterhaltung des zivilgesellschaftlichen und kulturellen Austausches mit Russland einzusetzen

(https://www.ippnw.de/index.php?id=1115)

(https://www.ippnw.de/commonFiles/pdfs/Atomwaffen/20220317_Statement_IPPNW_Ukraine_Russland_deutsch_final.pdf)

Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit!

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