Wo liegt Kurdistan eigentlich genau?
Was macht die Geschichte und Kultur der Menschen aus?
Wir haben einige Informationen für Sie zusammengetragen
Wo liegt Kurdistan?
Dies wird in der ersten kurdischen Chronik von 1596, dem „Sheref-Nameh“ wie folgt beantwortet: „Du Kurde, weißt Du, wo Deine Stämme leben? Hör zu, ich beschreibe Dir die Heimat Deines Volkes.
Vom Taurus bis Iskenderun, vom Westen bis zum Schwarzen Meer verläuft die Grenze Deiner Heimat, vom Schwarzen Meer durch Ardahan den Fluß Aras entlang, merke das, führt die nördliche Grenze Deiner Heimat, vom Alwand-Gebirge durch den Urmiyeh-See bis zur Quelle des Flusses Aras verläuft die östliche Grenze Deiner Heimat, von Ahwaz und dem Hamrain-Gebirge bis Sandjar und Nassibain führt die südliche Grenze Deiner Heimat“.
Wer Kurdistan nicht auf einer Karte zeigen kann, ist damit nicht allein. Es ist kein souveräner Staat, aber für die Kurden – eine ethnische Gruppe, der schätzungsweise zwischen 30 und 35 Millionen Menschen angehören – ist er mehr als nur ein ferner Traum von Selbstbestimmung.
Ihr Siedlungsgebiet, welches sich größtenteils über den Osten der Türkei sowie die Randbereiche des Iran, Irak und Syrien erstreckt, zählt zu den unbeständigsten Regionen der Welt. Die Kurden sind die weltweit größte staatenlose ethnische Gruppierung.
Die Geschichte der Kurd*innen ist gekennzeichnet durch den permanenten Widerstand gegen fremde Eroberer. Erstürmungen erfolgten durch die Sassaniden, Griechen, Araber, Perser, Byzantiner, die Mongolen und schließlich die Osmanen. Die arabischen Invasoren haben Kurdistan während ihrer Herrschaft ab dem 7.Jahrhundert bis zum 9.Jahrhundert unter massivem Druck islamisiert, sodass der Islam bis heute das prägende Element für die Traditionen und Lebensweisen der Kurden*innen ist.
Der Islam Kurdistans ist zwischen Aleviten und Sunniten aufgeteilt. Die alevitische Konfession, die einst dem persischen Schiismus nahestand, herrscht in den Gegenden vor, die an das Siedlungsgebiet der sunnitischen Türken grenzen; die sunnitische Konfession hingegen herrscht unter Kurden vor, die in der Nachbarschaft zu den schiitischen Persern leben.
Dies ist kein Zufall, sondern ein Ergebnis des Misstrauens und der Abgrenzung kurdischer Fürsten zu den jeweiligen Nachbarn, die sich immer wieder auf Kosten kurdischer Gebiete auszudehnen versuchten. Dementsprechend bekannte sich der Großteil der kurdischen Bevölkerung zu jener Konfession, die vom jeweiligen Nachbarn bekämpft wurde.
Historische Entwicklungen nach der Teilung Kurdistans
Kurdistan Türkei – Nord Kurdistan
Nach dem Ersten Weltkrieg hatte die kapitulierende osmanische Regierung der kurdischen Bevölkerung im Vertrag von Sèvres (1920) eine Teilautonomie zugestehen müssen, die im Falle einer entsprechenden Volksabstimmung in die Unabhängigkeit umgewandelt werden sollte.
Doch wurden diese Versprechungen drei Jahre später im Vertrag von Lausanne (1923) revidiert und das kurdische Volk nicht mehr erwähnt. Die neu gegründete Türkische Republik, die nach dem französischen Staatsmodell ausgerichtet war, in dem Staat und Nation identisch sind, erkannte keine nationalen Minderheiten an. In den Artikeln 39 bis 45 des Lausanner Vertrages verpflichtete sich die Türkei zwar, Minderheiten gewisse kulturelle Rechte einzuräumen, wie etwa den Gebrauch der eigenen Sprache oder die Möglichkeit, eigene Zeitungen und Zeitschriften herauszugeben. Doch wurden nur „Nicht-Muslime“ wie Griechen oder Armenier als Minderheiten begriffen, nicht aber die Kurden.
Beteiligt an der Gestaltung des Vertrags von Lausanne waren Großbritannien, Frankreich, Italien, Japan, Rumänien, Griechenland und Jugoslawien; die Minderheiten selbst waren ausgeschlossen. Die im Lausanner Vertrag festgelegten Grenzen, die Kurdistan unter den drei neu gegründeten Staaten Irak, Syrien und Türkei sowie das bereits existierende Persien (Iran) aufteilten, fanden internationale Anerkennung.
Dabei hatte der Vertreter der türkischen Delegation, Ismet Inönü, auf der Lausanner Konferenz gesagt, die Türkei sei das Heim zweier völlig gleichberechtigter Nationen, nämlich der Kurden und der Türken. Diese Aussage ist insofern nicht überraschend, da der türkische Staat versuchte, mit kurdischer Hilfe das Erdölgebiet von Kirkuk und Mossul zu gewinnen. Aber in der Mossul-Frage gaben die Briten nicht auf. Sie einigten sich mit den Franzosen und Amerikanern bei der Beteiligung am Ölgeschäft, um ihre Position zu stärken.
Nach Abschluss des Vertrages von Lausanne nahmen die türkischen Machthaber unter der Führung von General Mustafa Kemal Atatürk keine Rücksicht mehr auf kurdische Interessen. Im allgemeinen Sprachgebrauch wurden die Kurden und Kurdinnen nur noch als „Bergtürken“ bezeichnet. Bei den Neuwahlen zur Nationalversammlung 1924 wurden die ehemaligen kurdischen Abgeordneten und Kandidaten verhaftet. Zahlreiche kurdische Vertreter und führende Persönlichkeiten wurden ermordet, kurdische Schulen geschlossen und Zeitschriften verboten.
Gegen diese brutale Unterdrückung gab es 1925 einen großen Aufstand im Gebiet von Diyarbakir unter Führung des Geistlichen Scheich Said. Der Aufstand breitete sich schnell aus und umfasste die nordkurdischen Provinzen Bitlis, Harput, Van und Erzurum. Die türkische Regierung ordnete eine Generalmobilmachung an und bekämpfte mit 80.000 gut ausgerüsteten Soldaten die kurdische Freiheitsbewegung. Trotz der Übermacht der türkischen Armee konnte dieser Aufstand nur mit Hilfe der Franzosen niedergeschlagen werden. Diese hatten den türkischen Truppen die Bahnlinien für den Truppentransport zur Verfügung gestellt, wodurch die Kurden von zwei Fronten aus angegriffen werden konnten. Nach einem fast einjährigen Kampf brach der Widerstand zusammen.
Die türkischen Behörden hatten für die baldige „Lösung der Kurdenfrage“ Massenhinrichtungen durchgeführt und Deportationen angeordnet. Zwischen 1925 und 1928 sollen ca. 1 Mio. Menschen in die Westtürkei verschleppt worden sein. Gegen diese staatliche Brutalität regte sich erneut der Widerstand der Kurden. Das regionale Zentrum für diese Widerstandsbewegung wurde die Gegend um den Ararat, geleitet wurde sie von dem kurdischen General Nur Ihsan Pascha. Die Kampfhandlungen begannen 1928 und setzten sich bis 1930 fort. Am 12. Juli 1930 kam es zu einer entscheidenden Schlacht, aus der die Kurden als eindeutige Sieger hervorgingen.
Nach dieser Niederlage des türkischen Militärs wurde wiederum die Generalmobilmachung verkündet. Als Vergeltung für die verlorene Schlacht wurde die kurdische Zivilbevölkerung durch Flugzeuge und Kanonen unter Beschuss genommen. In einer Vereinbarung zwischen der Türkei und dem Iran wurde der türkischen Armee gestattet, den iranischen Boden zu benutzen, um Ararat, das Hauptquartier der Kurden, zu belagern. Durch diese Zusammenarbeit zwischen der Türkei und dem Iran konnte der kurdische Widerstand gebrochen werden.
Die Appelle kurdischer Persönlichkeiten an den Völkerbund und an westliche Staaten stießen auf keinerlei Aufmerksamkeit. Um die kurdische Freiheitsbewegung zu vernichten, machte die türkische Regierung weiterhin Gebrauch von modernen Vernichtungswaffen. Kurdische Dörfer wurden zerstört und die Menschen massakriert. Gewaltsame Übergriffe und Unterdrückungsmaßnahmen seitens des türkischen Staates setzten sich ununterbrochen fort. Und so wurde am 14. Juni 1934 ein Gesetz verabschiedet, das am 21. Juni 1934 im amtlichen Nachrichtenblatt mit folgendem Inhalt veröffentlicht wurde:
„Um die türkische Kultur zu verbreiten, wird die Regierung das o. g. Gesetz nach bestimmten Punkten verwirklichen. Dazu hat das Innenministerium die Türkei in drei Regionen aufgeteilt:
- die Regionen, in denen die türkische Kultur in der Bevölkerung sehr stark verankert ist;
- die Regionen, wo die Bevölkerung anzusiedeln ist, die es zu türkisieren gilt (das sind Gebiete im Westen, besonders am Mittelmeer, der Ägäis, dem Marmarameer und Thrakien);
- die Regionen, die aus gesundheitlichen, ökonomischen, kulturellen, militärischen und sicherheitstechnischen Gründen entvölkert werden müssen, in denen sich niemand mehr ansiedeln darf (das sind Agri, Sason, Dersim, Van, Kars, der südliche Teil von Diyarbakir, Bingöl, Bitis und Mus).“
Um dieses Gesetz in die Praxis umzusetzen, wurde Dersim von der türkischen Armee belagert. Dersim ist ein schwer zugängliches gebirgiges Gebiet, das bis dahin von keiner Fremdherrschaft kontrolliert werden konnte. Dersim hatte sich erfolgreich aus den Kampfhandlungen des Ersten Weltkrieges herausgehalten und während der Massaker an den Armeniern 360.000 Menschen Asyl gewährt.
Daher war Dersim ein Dorn in den Augen der türkischen Machthaber. Mustafa Kemal Atatürk äußerte sich vor der Nationalversammlung 1936 folgendermaßen:
„Das wichtigste Problem für unsere Innenpolitik ist das Problem von Dersim, und deshalb, um dieses Geschwür zu entwurzeln, das als Hindernis in unserem Weg steht, und um es zu erleichtern, schnelle Entscheidungen zu treffen, wäre es nötig, der Regierung absolute Vollmacht einzuräumen.“
Es versteht sich von selbst, was für Mustafa Kemal ein Geschwür ist und welche Maßnahmen mit der absoluten Vollmacht verbunden waren. Die Kurden sandten im November 1937 ein Memorandum an der Völkerbund, aus dem Folgendes hervorgeht:
Die kurdischen Schulen sind geschlossen, die kurdische Sprache ist verboten. Die Wörter Kurde und Kurdistan sind aus den wissenschaftlichen Büchern entfernt worden, jede bestialische Art wird angewendet, um die Kurden einschließlich Frauen und Mädchen zur Zwangsarbeit nach Anatolien zu bringen. Die Kurden werden in türkische Gebiete umgesiedelt, sie sollen nirgendwo mehr als 5 % ausmachen.
1937 kam es erneut zu Kampfhandlungen. Die türkische Armee hatte für ihren Sieg große Verluste hinnehmen müssen. Um das auszugleichen, wurde blinde Rache an der Bevölkerung verübt. Mit Giftgas und Rauch wurden Höhlen, in denen Frauen und Kinder vor den türkischen Bomben Schutz gesucht hatten, ausgeräuchert und vermauert. Bei den Auseinandersetzungen wurden mehr als 50.000 Kurden und Kurdinnen ermordet und der Rest der Bevölkerung (ca. 100.000) gewaltsam aus Dersim in die Westtürkei deportiert.
Nach der blutigen Niederschlagung dieses letzten großen Aufstandes herrschte in der Türkei bis 1960 Friedhofsruhe. Erst nach 1961 und besonders in den Jahren 1974-1978 konnte sich die kurdische Bewegung in der Türkei neu formieren. Ab 1974 erschienen kurdische Veröffentlichungen und die „Kurdenfrage“ wurde zum ersten Mal seit 1937 wieder diskutiert.
Allerdings waren die beteiligten Personen weiterhin von zahlreichen Verfolgungsmaßnahmen bedroht. Der Ausnahmezustand 1979 und der Militärputsch 1980 beendeten diese Phase der „Lockerung“. Selbst der mündliche Gebrauch der kurdischen Sprache im Privatbereich wurde zur Straftat. In dieser Zeit wurden Tausende von Kurden und Kurdinnen verhaftet und gefoltert.
Die Gründung der Kurdischen Arbeiterpartei PKK 1978 kann als Reaktion auf diese Ereignisse gesehen werden. Von 1984 bis zur Festnahme des PKK-Chefs Abdullah Öcalan 1998 in Rom fand ein erbitterter Krieg zwischen der PKK und dem türkischen Militär statt. Zehntausende von Menschen auf beiden Seiten mussten in den 14 Jahren ihr Leben lassen. Die türkische Führung versuchte immer wieder den kurdischen Widerstand durch verschärfte Repressionen und durch den Einsatz angeworbener oder zur Kollaboration erpresster „Dorfschützer“ zu brechen. Das türkische Militär leitete Großoffensiven ein mit dem Ziel, die PKK zu besiegen.
Dabei scheute sie auch nicht davor zurück, in Nachbarländer wie den Irak einzudringen. In den vergangenen Jahren stieß das türkische Militär mehrmals mit 30.000-50.000 Soldaten bis in irakisches Territorium vor. Mehr als 3.500 kurdische Dörfer und Siedlungen wurden dem Erdboden gleich gemacht und Millionen von Kurden und Kurdinnen nicht nur zur Flucht in die Metropolen wie Istanbul und Diyarbakir getrieben, wo sie in Elendsvierteln überleben müssen, sondern auch ins Exil nach Europa.
Alle Versuche, das so genannte „Kurdenproblem“ friedlich und auf politischem Wege zu lösen, wurden von der türkischen Regierung zunichte gemacht. So wurde z. B. die pro-kurdische Demokratische Partei DEP verboten und die gewählten Parlamentarier ihrer Immunität enthoben und festgenommen. Der Staatsanwalt beim Staatssicherheitsgericht verlangte für sie die Todesstrafe, weil sie in der Öffentlichkeit die kurdischen Farben gezeigt und sich für eine friedliche Lösung des Konfliktes eingesetzt hatten.
Eine von diesen DEP Abgeordneten ist Leyla Zana, die derzeit eine 15-jährige Haftstrafe verbüßen muss. Sie wurde zwischenzeitlich mit mehreren Friedenspreisen ausgezeichnet, so mit dem Aachener Friedenspreis und dem Sacharow-Preis. Allerdings konnten auch diese Auszeichnungen ihre Entlassung nicht bewirken. Nach wie vor gilt jegliche Äußerung über die Situation der Kurden und Kurdinnen in der Türkei als Straftat und wird mit dem Vorwurf des Separatismus hart verfolgt.
Seit der Entführung des PKK-Chefs Abdullah Öcalan hat sich eine Wende in der türkischen Kurdenpolitik angekündigt. In welche Richtung diese gehen könnte, vermag niemand so richtig einzuschätzen. Zwar gibt eine kleine progressive Gruppe, die im Rahmen einer generellen Demokratisierung der Türkei nach einer friedlichen Lösung ruft, aber der jüngste Wahlsieg der ultranationalistischen Partei MHP deutet in die entgegengesetzte Richtung.
Das türkische Reich der Osmanen und das persische Reich der Safawiden, die seit dem 16. Jahrhundert die nahöstliche Region beherrschten, haben stets verstanden, das Argument der religiösen Zusammengehörigkeit einzusetzen, wenn es um die Unterstützung durch Kurden ging. Als das Osmanische Reich beispielsweise im 16. Jahrhundert Feldzüge gegen das Safawidenreich führte, gelang es ihm auf diese Weise, die Unterstützung der Mehrheit der sunnitischen kurdischen Fürsten gegen die schiitischen Safawiden zu gewinnen.
Umgekehrt hatte die alevitische Mehrheit der kurdischen Bevölkerung die Safawiden unterstützt. Der Krieg zwischen dem Osmanischen Reich und dem safawidischen Persien um die Vorherrschaft auf kurdischem Boden führte 1639 zu der Aufteilung kurdischer Gebiete zwischen beiden Reichen.
Zwar konnten die kurdischen Fürstentümer trotz der fremden Oberherrschaft ihre innere Autonomie zwei Jahrhunderte lang bewahren, doch fielen sie der allmählich zunehmenden Zentralisierungspolitik beider Reiche zum Opfer. Das Jahr 1840 verzeichnet die Zerstörung des letzten Fürstentums Botan durch die Osmanen. Mit dem Zusammenbruch seiner Fürstentümer verlor das kurdische Volk seine Eigenständigkeit, seine Freiheit und seinen Wohlstand. Jedoch setzte sich sein Widerstand fort, aber keiner seiner zahlreichen Aufstände des 19. Jahrhunderts führte zum Erfolg.
Im Jahre 1880 manifestierte sich im Aufstand von Ubeydulla, der letzten bedeutenden kurdischen Revolte des 19. Jahrhunderts, die erste politisch bedeutende Unabhängigkeitsbewegung des kurdischen Volkes. Dieser Aufstand wurde jedoch niedergeschlagen.
Nach der Machtübernahme der Jungtürken (1908), die von den kurdischen Führern einige Zeit unterstützt worden waren, bildeten sich in vielen Gebieten des Osmanischen Reiches Komitees verschiedener Ethnien. In dem relativ liberalen Klima gründeten auch führende kurdische Persönlichkeiten die ersten Vereinigungen, darunter die Vereinigung für Wiedererstehen und Fortschritt Kurdistans (Taali ve Terakii Kurdistan). Diese publizierte die erste legale kurdische Zeitung. Obgleich in türkischer Sprache, diente die Zeitung als Diskussionsforum für Sprache, Kultur und nationale kurdische Einheit.
Eine weitere Vereinigung, die fast zeitgleich entstand, war ein kurdisches Komitee für Volksbildung. Darin vereinten sich kurdische Intellektuelle und Patrioten jeglicher Gesinnung in der Emigration. Zu den wichtigsten Aktionen dieser Organisation zählten die Gründung einer ersten kurdischen Schule und die Herausgabe einer kurdischsprachigen Zeitung, die den Namen Hetawe Kurd (Kurdische Sonne) trug.
Erster Weltkrieg und Niedergang des Osmanischen Reiches
Der Ausbruch des Ersten Weltkrieges führte im gesamten Nahen Osten zu einem Wandel. Mit dem Niedergang des Osmanischen Reiches kristallisierte sich eine politische Lage heraus, die bis heute die Region beherrscht und das Schicksal des kurdischen Volkes wesentlich prägt, da sie zur Errichtung der Nationalstaaten Türkei, Syrien, Irak und Libanon führte. Die Trümmer des Osmanischen Reiches gerieten unter die Verwaltung europäischer Mächte.
So wurde das Syrien französisches und der Irak britisches Mandatsgebiet. Damit brachte Großbritannien das dem irakischen Gebiet zugeschlagene Südkurdistan unter seine Kontrolle, um an das Erdöl von Mossul und Kirkuk zu gelangen. Die Türken versuchten allerdings, mit kurdischer Hilfe das Gebiet zurückzuerobern. Aus dieser Zeit stammen die auffälligen, teils wie mit dem Lineal gezogenen Grenzen in der Region, wobei die ethnische Zusammensetzung der ansässigen Bevölkerung nicht berücksichtigt wurde.
Kurdistan Iran- Ost Kurdistan
Während und nach dem Zweiten Weltkrieg hatten sich demokratische Parteien in allen Teilen Kurdistans herausgebildet und erneut den Kampf für die Autonomie aufgenommen. Nach dem Zweiten Weltkrieg herrschten günstige Bedingungen, und mit der Unterstützung der Roten Armee konnte am 22. Januar 1946 die erste kurdische Republik der Geschichte gegründet werden.
Die Gründung der Republik Mahabad in Ostkurdistan war für das kurdische Volk ein bedeutendes Ereignis, konnte sich aber nicht lange halten. Trotz der Organisation einer Partisanenarmee gelang es dieser jungen Republik nicht, sich gegen Aggressoren zu verteidigen. Sobald die sowjetische Armee sich aus diesem Gebiet zurückgezogen hatte, überfiel der Iran mithilfe von England und den USA die kurdische Republik Mahabad und zerstörte sie. Die führenden Kräfte der Republik und auch ein großer Teil der Bevölkerung wurden ermordet. In den darauf folgenden Jahren erfolgten zahlreiche Aufstände, die alle niedergeschlagen wurden.
Auch der Sturz des Schahs Reza Pahlewi 1979 brachte den Kurden und Kurdinnen keine Wende in ihrem Bestreben nach Anerkennung. Khomeini hatte der kurdischen Bevölkerung zunächst ein Recht auf kulturelle und politische Autonomie zugesichert, aber nach dem Ende der Revolution brach er dieses Versprechen. Nach dem „Kurdischen Frühling“ begann ein Aufstand unter der Führung von Abdelrahman Ghassemlou, der von Khomeini 1985 blutig niedergeschlagen wurde. Auch der erste Golfkrieg von 1980 bis 1988, der zum Teil in den kurdischen Regionen stattfand, forderte Zehntausende von Opfern, vor allem unter der Zivilbevölkerung. Nach dem zweiten Golfkrieg 1991 flohen zahlreiche Kurden und Kurdinnen aus dem Irak in den Iran, der im Gegensatz zur Türkei seine Grenzen für die Flüchtlinge öffnete.
Im Iran herrscht ein islamistisches Regime, das den einheimischen Kurden und Kurdinnen nur wenig Spielraum zur Entfaltung eigener Möglichkeiten wie die Ausübung der kurdischen Sprache und gewisse kulturelle Aktivitäten einräumt. Im politischen Bereich jedoch reichen die Repressionen von geheimdienstlichen Aktivitäten des Iran bis hin zur Verfolgung von Exil-Kurden und -Kurdinnen. Wie beispielsweise der „Mykonos-Prozess“ 1997 in Berlin gezeigt hat, ging die Ermordung von vier kurdischen Exilpolitikern direkt von der iranischen Regierung aus.
Kurdistan Irak- Süd Kurdistan
Die kurdische Bevökerung im Irak sprach sich 1925 bei einer Abstimmung eindeutig gegen den Vertrag von Lausanne aus. Die von ihnen geforderte Unabhängigkeit wurde insbesondere von den Briten, der Mandatsmacht der Region, verweigert, da diese für sich selbst den Zugriff auf die Erdölvorkommen sichern wollten. Da der Irak – im Gegensatz zur Türkei – unter der Kontrolle des Völkerbundes stand, wurde der kurdischen Bevölkerung das Recht zugestanden, ihre Sprache zu sprechen, kurdisch zu unterrichten und zu publizieren.
Dennoch kam es zu zahlreichen Kurdenaufständen sowohl im Königreich Irak (bis 1958) als auch in der darauf folgenden Republik. Sie zählen zu den wichtigsten in der Geschichte der kurdischen Nationalbewegung. Eine zentrale Rolle spielten dabei die Führer der Barzani-Gefolgsleute, insbesondere Mulla Mustafa Barzani, der ein großes Stammesbündnis schaffen konnte und die Demokratische Partei Kurdistans (KDP) gründete.
Es kam zu Aufständen in den Jahren 1931/32 sowie 1943/45. 1945 musste Barzani mit seinen Kämpfern in den Iran flüchten, wo er sich als Verteidigungsminister an der Regierung der „Republik von Kurdistan“ in Mahabad beteiligte. Als 1958 die Monarchie in Irak gestürzt und die Republik ausgerufen wurde, genoss die kurdische Bevölkerung für kurze Zeit kulturelle Rechte. Damit hatte zum ersten Mal ein Staat, der einen Teil Kurdistans beherrscht, das kurdische Volk offiziell als eigenständige Volksgruppe anerkannt. Doch aus der Republik wurde bald eine Militärdiktatur und die zugestandenen Rechte wurden zurückgenommen. Während der 1960er Jahre (1961/62, 1963, 1965/66, 1969) kam es zu kriegerischen Auseinandersetzungen zwischen der kurdischen Bevölkerung und der Regierung in Bagdad.
Diese Reihe von Gefechten, eine der wichtigsten Etappen der kurdischen Nationalbewegung, versuchte eine Autonomie innerhalb der bestehenden Staatsgrenzen durchzusetzen. 1970 unterschrieben die KDP und die irakische Baath-Partei ein Friedensabkommen; die Kurden erhielten fünf Ministerposten und stellten die Gouverneure ihrer Provinzen. Nach einer Übergangszeit von vier Jahren sollte die Autonomie für Kurdistan in Kraft treten. Doch entpuppte sich dieses Abkommen schon bald als Farce: Die Minister hatten keinerlei Machtbefugnisse und die undemokratische, nationalistische Baath-Partei setzt ihre Arabisierungspolitik fort.
Eine Einigung scheiterte wie schon zuvor in der Vergangenheit. Die irakische Führung war nicht wirklich bereit, die Kurden an der Macht zu beteiligen und ihnen die Nutzung des Erdöls von Kirkuk zuzugestehen. Die kurdische Führung war ihrerseits nicht bereit, ihre Peschmerga-Truppen zu demobilisieren. Der fünfte Krieg von 1974/75 hatte katastrophale Folgen für die kurdische Bevölkerung: Eine von Saddam Hussein verhängte Wirtschaftsblockade beschleunigte den Massenexodus der kurdischen Bevölkerung. Der Iran und der US-Geheimdienst CIA hatten Barzani ihre Unterstützung im Krieg gegen Saddam Hussein zugesagt, doch sobald der Iran seine Interessen mit dem Abkommen von Algier im März 1975 durchgesetzt hatte, ließen sie ihre kurdischen Bündnispartner fallen.
In den folgenden Jahren regenerierte sich der kurdische Widerstand unter den Parteien KDP, die von Masud Barzani (dem Sohn von Mustafa Barzani) angeführt wurde, und der neu gegründeten PUK (Patriotische Union Kurdistans), die Jalal Talabani unterstand. Beide Parteien unterstützten im ersten Golfkrieg den Iran, wofür sich der Irak 1987/88 mit einer militärischen Offensive und massivem Giftgaseinsatz gegen die Zivilbevölkerung rächte.
Diesem Angriff fielen zahlreiche Kurden und Kurdinnen zum Opfer. So wurde am 16. März 1988 die kurdische Stadt Halabdja, die einmal von 70.000 Menschen bewohnt war und nur wenige Kilometer von der iranischen Grenze entfernt liegt, vom irakischen Militär praktisch ausgelöscht. Aus Flugzeugen wurden drei verschiedene Arten von Giftgas abgeworfen. Es gab 5.000 Tote und 7.000 Verletzte, fast ausschließlich Zivilisten, von denen drei Viertel Frauen und Kinder waren.
Ermuntert durch die US-Regierung, kam es nach dem Ende des zweiten Golfkrieges im März 1991 zu spontanen Kurdenaufständen, die jedoch Anfang April zusammenbrachen und erneut zu einer enormen Fluchtbewegung führten. Einen halben Monat später wurde im Nordirak eine Flugverbotszone eingerichtet, die den Fortbestand der kurdischen Bevölkerung in diesem Gebiet garantieren sollte.
Im Mai 1992 fanden in dieser autonomen Region Kurdistan die ersten freien Wahlen statt. Die PUK und die KDP erhielten dabei jeweils die gleiche Anzahl der Sitze und versuchten zunächst gemeinsam zu regieren. Das gelang aber nur für einen kurzen Zeitraum. Innere Machtkämpfe zwischen beiden Organisationen brachen auf und werden weiterhin je nach eigener Interessenlage vom Iran, Irak oder der Türkei wirtschaftlich und politisch unterstützt bzw. ausgenutzt. Für die kurdische Zivilbevölkerung bedeutet dies zum wiederholten Male Krieg, Flucht und Vertreibung.
Seit 4. Juli 1992 die autonome Region Kurdistan ist ein autonomes Gebiet des Irak. Die Region besitzt ein eigenständiges Parlament mit Sitz in Erbil (Hewlêr) und unterhält eigene Militäreinheiten, die Peschmerga.
Das offizielle Gebiet der Region Kurdistan setzt sich aus den irakischen Gouvernements Dahuk, Erbil, as-Sulaimaniyya und Halabdscha zusammen. Darüber hinaus werden Teile der angrenzenden Gouvernements beansprucht, die teilweise auch faktisch von der kurdischen Regionalregierung kontrolliert werden.
Die Gesamteinwohnerzahl der autonomen Region Kurdistan lag im Jahr 2015 bei etwa 5,5 Millionen Menschen, die autonome Region Kurdistan ist seit dem Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges und dem Vormarsch der Terrororganisation Islamischer Staat in Syrien und Irak auch Heimat von über zwei Millionen Flüchtlingen. Allein im Flüchtlingscamp Kawergosk in der Provinz Erbil sind in 2.000 Zelten rund 10.000 Menschen untergebracht.
Kurdistan Syrien -West Kurdistan(Rojava)
Der kurdische Bevölkerungsanteil in Syrien macht ca. 10 % der Gesamtbevölkerung aus. Er lebt dort relativ verstreut und nicht wie in den anderen Ländern in einem zusammenhängenden Gebiet. Durch die Grenzziehung zur Türkei entstanden drei kurdische Enklaven: Djezireh, Kurd-Dagh und Ain al-Arab. Zum Zeitpunkt der Unabhängigkeit Syriens (1946) erhielt die kurdische Bevölkerung zwar keine Rechte als nationale Minderheit, war aber auch keinen Repressalien ausgesetzt.
Bis 1958 gab es mehrere kurdische Zeitungen, einen kurdischen Sender in Damaskus und diverse kurdische Vereinigungen. Als aber 1958 im benachbarten Irak kurdische Aufstände einsetzten und die kurdische Bevölkerung Syriens die Anerkennung als ethnische Gruppe mit einer eigenständigen Kultur anstrebte, wurde ihnen Komplizenschaft und eine anti-arabische Haltung vorgeworfen. Fast 120.000 Angehörigen der kurdischen Bevölkerung wurde die syrische Staatsangehörigkeit und die damit verbundenen Rechte entzogen.
Es gab immer wieder anti-kurdische Kampagnen und es kam zu Enteignungen, bürokratischen Schikanen, Razzien, Beschlagnahmung von kurdischen Texten usw. Nach wie vor ist die Lebenssituation der kurdischen Bevölkerung, die aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit grundsätzlich als oppositionell gilt, schwierig. Die repressive Politik äußert sich darin, dass ihre Kultur und Sprache etwa über die Medien, den Schulunterricht sowie die Literatur nicht gefördert und die Infrastruktur in kurdischen Gebieten bewusst vernachlässigt wird.
Dass Syrien jahrelang die Kurdische Arbeiterpartei PKK unterstützte, geschah keineswegs aus einer pro-kurdischen Haltung heraus. Für Syrien war die PKK ein Trumpf, der gegen die Türkei im Streit um die Provinz Hatay sowie um das Euphrat-Wasser ausgespielt werden konnte. Auch die kurdische Bevölkerung im eigenen Land wurde auf diese Weise ruhig gestellt. Sobald die PKK militärisch geschwächt war, entzog Syrien ihr die Unterstützung und legte dem PKK-Chef Abdullah Öcalan nahe, sich woanders eine Bleibe zu suchen, was zu Öcalans Odyssee durch Europa und seiner anschließenden Entführung durch den türkischen Geheimdienst führte.
Am 19. Juli 2012 begann in Kobanî die Revolution von Rojava. Unter der Initiative des Volksrats Westkurdistan (MGRK) vertrieb die Bevölkerung das syrische Baath-Regime weitgehend unblutig. Während der Rest von Syrien zunehmend im Bürgerkrieg versank, schlug Rojava einen dritten Weg jenseits des Baath-Regimes und der vom Westen, der Türkei und den Golfstaaten protegierten Opposition ein.
Damit wurde die kurdische Freiheitsbewegung vor die Herausforderung gestellt, ein im Mittleren Osten einmaliges basisdemokratisches, geschlechterbefreites und ökologisches Projekt aufzubauen. Durch die »Demokratische Autonomie« wurde der Staat überflüssig und jeglicher Form von Nationalismus eine Absage erteilt. Seither organisiert sich die Bevölkerung durch ein Rätesystem selbst. Das Projekt wird durch reaktionäre Kräfte wie die Terrororganisation Islamischer Staat bedroht.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Politik der Staaten, unter denen Kurdistan aufgeteilt ist, auf die Vernichtung der Selbstbestimmung des kurdischen Volkes, teilweise auf die Vernichtung der kurdischen Bevölkerung selbst abzielt. Die Mittel hierfür sind: Vertreibungen und Dorfzerstörungen, das Verbot der kurdischen Sprache und Kultur, wirtschaftliche und administrative Maßnahmen.
Die Nationalhymne
Ey Reqîb (deutsch Oh Feind) ist die offizielle Hymne der Autonomen Region Kurdistan und gilt als Nationalhymne aller Kurden.
Sie wird auch für die Autonome Region Nordsyrien (Rojava) verwendet. Der kurdische Dichter Dildar verfasste den Text der Hymne 1938 in Sorani, als er im Gefängnis saß. Ey Reqîb war die Nationalhymne der Republik Mahabad.
Ey raqîb | Oh Feind |
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Ey raqîb her mawe crewmen kurd ziman, Na şikênê danerî topî zeman. Kes nelê kurd mirduwe; kurd zînduwe, Zînduwe qet nanewê alakeman.Lawî kurd hestaye ser pê wek dilêr Ta be xwên nexsîn deka tacî jiyan. Kes nelê kurd mirduwe, kurd zînduwe, Zînduwe qet nanewê alakeman. Ême roley Midya u Keyxusrewîn, Ême roley rengî sûr u şorişîn, Lawî kurdî hazir u amadeye, |
Oh Feind! Die Kurden und ihre Sprache leben noch immer! Nicht einmal Bomben aller Zeit können sie vernichten. Niemand soll behaupten, die Kurden wären tot, die Kurden leben. Sie leben – die Fahne wird nie fallen. Die kurdische Jugend hat sich erhoben wie die Löwen Um sich mit Blut zu schmücken mit der Krone des Lebens . Niemand soll behaupten, die Kurden wären tot, die Kurden leben. Sie leben – die Fahne wird nie fallen. Wir sind die Kinder der Meder und des Kyaxares. Wir sind die Kinder der roten Farbe und der Revolution. Die kurdische Jugend ist jederzeit bereit, |
Sprache
Die kurdische Sprache gehört zum west-iranischen Zweig der indoeuropäischen Sprachfamilie und weist so in ihrer Grundstruktur eine starke Ähnlichkeit mit dem Persischen auf. Kurdisch wird in verschiedenen Dialekten gesprochen. Der am weitesten verbreitete Dialekt ist Nordkurdisch oder Kurmancî (in Anatolien, im türkisch-iranischen Grenzgebiet, im Kaukasus, in Syrien und im Norden von Irakisch-Kurdistan). Das Mittelkurdisch oder Soranî ist im Südteil von Irakisch-Kurdistan und Mukri – im angrenzenden Iranisch-Kurdistan – vorherrschend. Zwischen Kurmancî und Soranî gibt es Gemeinsamkeiten, aber die Dialekte haben sich so weit voneinander entfernt, dass die Verständigung schwierig ist. Zu beiden haben sich eigene Alphabete entwickelt. Innerhalb dieser Hauptgruppen existieren weitere Differenzierungen: Kirmanci (Zazaki) wird in bestimmten Regionen Türkisch-Kurdistans gesprochen. Weiterhin werden in den drei südlichsten Teilen Kurdistans Goranî und andere Dialekte gesprochen.
In fast allen Teilen Kurdistans ist das Kurdische höchstens als Alltagssprache zugelassen. Die kurdische Bevölkerung ist gezwungen, sich als Amtssprache der jeweiligen offiziellen Sprachen Arabisch, Persisch oder Türkisch zu bedienen.
Eine Ausnahme bildet die autonome Region Kurdistan-Irak( Süd Kurdistan), dort ist Kurdisch Amtssprache und wird intensiv in den Medien und als Schriftsprache verwendet. Arabisch ist formell ebenfalls eine Amtssprache, wird jedoch nur selten gesprochen.
Kurdisches Alphabet
Die kurdische Sprache wird in unterschiedlichen Alphabeten geschrieben: lateinisch, arabisch, kyrillisch.
Die Aufteilung Kurdistans nach dem Ersten Weltkrieg verhinderte neben seiner Unabhängigkeit auch die Entwicklung einer kurdischen Hochsprache. Einzig in der ehemaligen Sowjetunion genoss die kurdische Sprache und Kultur Anerkennung und Förderung. Hier erschienen zahlreiche Publikationen in kurdischer Sprache, die sich des dort üblichen kyrillischen Alphabets bedienten. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion tendierten die Gelehrten kurdischer Sprache jedoch zum Gebrauch des lateinischen Alphabets.
Religion
Die Mehrheit der kurdischen Bevölkerung bekennt sich zum sunnitischen Zweig des Islam und richtet sich nach der Schafi-Tradition, einer der vier islamisch-sunnitischen Rechtsschulen. Somit unterscheidet sie sich von der Mehrheit der ebenfalls sunnitischen Türken, die der Hanafi-Rechtsschule zugehören. Außerdem gibt es eine kleinere Gruppe schiitischer Muslime iranischer Prägung.
Neben den beiden großen Glaubensrichtungen gibt es andersgläubige kurdische Gruppierungen wie z.B. Aleviten oder Yeziden. So weist die synkretistische Religion der ausschließlich kurdischen Yeziden neben islamisch-mystischen (sufitischen) auch vorislamische, vor allem altiranische, aber auch manichäische, jüdische und christliche Elemente auf. Da sie von den anderen Religionen oder Glaubensgemeinschaften nicht anerkannt wird, sind ihre Anhänger bis heute harter Verfolgung ausgesetzt.
Sunniten
Etwa zwei Drittel bis drei Viertel der Kurd*innen, darunter fast alle Kurmancî und Soranî sprechenden Kurd*innen, sind sunnitische Moslems. Ihre Lehre ist die Sunnah, die auf dem Koran, den Lehren Mohammeds und sechs Büchern religiöser Traditionen basiert. Die Lehre der Sunniten folgt vier gleichberechtigten Rechtsschulen. Im Unterschied zu ihren türkischen Nachbarn sind die Mehrzahl der Kurd*innen Anhänger der schafiitischen Rechtsschule. Die kurdische Sunnah hat zahlreiche mystische Elemente und ist stark mit Orden (tariquat, z. B. dem Qadiri und Naqişbandi) verbunden.
Schiiten
Schiitische Kurd*innen sind im Westen und im Südosten des kurdischen Siedlungsgebietes anzutreffen. Die Schiiten folgen in der religiösen Lehre der ersten Familien- und Verwandtschaftstradition nach dem Tod des Propheten Mohammed, und sind Anhänger von Ali, dem Schwiegersohn des Propheten Mohammed. Imame
sind in der schiitischen Lehre Mittler zwischen Gott und den Menschen. Der Kern der schiitischen Lehre beruht – neben dem Koran und den Lehren Mohammeds – auf den Überlieferungen der historischen zwölf Imame. Der zwölfte Imam, Mohammed Al’Madi, verschwand im Jahr 878. Der Überlieferung nach ist er der Welt nur vorübergehend entrückt und wird wenige Tage vor dem Jüngsten Tag als Mahdi wiederkehren.
Alewiten
„Alewiten“ ist eine Sammelbezeichnung für Anhänger verschiedener, teilweise schiitisch geprägter Glaubensvorstellungen, zu denen auch grosse kurdische Bevölkerungsgruppen der Türkei gehören. Auch die Anhänger des Bektasi-Ordens und die in der Türkei unter der arabischen Minderheit in der Hatay-Provinz und in der Region Adana vertretenen Nusairier werden zumeist zu den Alewiten gerechnet. Unter den KurdInnen in der Türkei macht der Anteil der Alewiten etwa 25% aus. Alewitische KurdInnen leben vor allem in den Provinzen Maras, Malatya, Xarput und Dersim.
Aleviten glauben, dass Gott alles erschaffen hat und dass er Teil aller Dinge und Lebewesen ist, also auch Teil des Menschen. Sie nennen Gott Hak. Ein Grundsatz im Alevitentum heißt:
„Suche Gott nicht in der Fremde! Gott ist in dir selbst, wenn du des reinen Herzens bist.“
Aleviten glauben auch, dass die Seele unsterblich ist und dass sich die Menschen sogar mit Gott wieder vereinigen können, wenn sie selbst vollkommen werden. Das kann ihnen aber nur gelingen, wenn sie stets daran arbeiten, Konflikte und Probleme aus der Welt zu schaffen und sich in allen Dingen mit ihren Mitmenschen zu einigen. Aleviten glauben, dass Gott ihnen dabei hilft und ihnen Kraft gibt. Doch die Verantwortung für sein Handeln trägt auch nach Überzeugung der Aleviten jeder Mensch selbst.
Jesiden-Êzîden
Die Jesiden oder Êzîden sind eine zumeist Kurmancî sprechende ethnisch-religiöse Minderheit mit mehreren hunderttausend Angehörigen, deren ursprüngliche Hauptsiedlungsgebiete im nördlichen Irak, in Nordsyrien und in der südöstlichen Türkei liegen. Die Êzîden betrachten sich teilweise als ethnische Kurden, teilweise als eigenständige ethno-religiöse Gruppe. Derzeit sind sie als eigenständige ethnische Gruppe im Irak und in Armenien anerkannt. Das Auswärtige Amt bezeichnet die Jesiden als eine ethnische Minderheit. Heute sind Êzîden durch Auswanderung auch in anderen Ländern verbreitet. In Deutschland lebt mit geschätzt 200.000 Mitgliedern (2017) die größte Diasporagemeinschaft der Êzîden.Die Êzîden werden auch Yeziden oder Eziden genannt.
In Deutschland lebende Jesiden verwenden mehrheitlich das Ethnonym „Eziden“ oder „Êzîden“ als Eigenbezeichnung und vermeiden eher die Fremdbezeichnungen „Jesiden“, „Yeziden“, „Yazidis“ oder „Yezidis“Die Êzîden sind eine uralte kurdische Religionsgemeinschaft, die unter der muslimischen Mehrheit ihren Glauben, ihre Traditionen und ihre Gebräuche ihrer Geschichte bis in die jetzige Zeit bewahrt hat und noch immer pflegt. Die Herkunft der Bezeichnung Êzîden ist umstritten: Die Mehrzahl der Historiker leitet den Namen Ezidî von dem alten Gott Ezda und seiner kurdischen Bedeutung „Der mich erschaffen hat“ ab. Die Êzîden selbst führen ihre Religion auf die alte zoroastrische Religion zurück, nach der die beiden Götter Ahoramezd und Ahriman als Verkörperung des Bösen um die Vorherrschaft kämpfen.
Das Êzîdentum ist ein monotheistischer Glauben (Anerkennung eines allumfassenden Gottes). Sie glauben an einen Gott, den Schöpfer des Universums, der Quelle von Güte und Freude ist. Nach der êzîdischen Lehre hat Gott die Welt in Form einer weißen Perle erschaffen. Gott lässt die weiße Perle, die den geistigen Urzustand symbolisiert, zerplatzen und formt aus ihren Trümmern die Bestandteile der Welt. Gott erschafft aus seinem Licht (nûr) sieben Engel, die er mit der weiteren Schöpfung auf der Erde sowie deren Verwaltung beauftragt. Die sieben Engel fungieren als Mittler zwischen Gott und den Êzîden. Das Oberhaupt der göttlichen Siebenschaft ist tawisî melek, der Engel Pfau, der besonders verehrt wird.
Der Ursprung des Êzîdismus ist nicht bekannt. Häufig wird er als eine synretistische Religion beschrieben, die iranisch-zoroasastrische, manichhäisch-christliche, nestorianische und schamanistische Elemente enthält.
In der eigentlichen Glaubenslehre scheinen die sechs Nebengottheiten ganz zu verschwinden und durch den Dualismus Gott und Melek Taus, den Engel Pfau, ersetzt zu sein. Gott ist nur der Schäfer, nicht auch der Erhalter der Welt. Er ist nicht aktiv und kümmert sich nicht um die Welt. Das tätige, ausführende Organ des göttlichen Willens ist der Melek Taus. Er ist eins mit Gott und mit ihm unzertrennlich verbunden.
Insofern ist der Eesidismus monotheistisch, doch stehen göttliche und halbgöttliche Wesen, Mitteldinge zwischen Gott und Menschen, dagegen. Melek Taus ist ein guter Gott. Er galt zunächst als ein in Ungnade gefallener Engel, der der Legende nach von Gott in Gnaden wieder angenommen worden ist, weil er Reue zeigte. Die Êzîden glauben offenbar an keine Hölle, an keinen Teufel in unserem Sinne und an keine Höllenstrafe, die eine Verkörperung des Bösen wäre, es wird verleugnet. Die Anschauung der Nichtexistenz einer ewigen Hölle entspricht der Überzeugung von der Seelenwanderung, die eine stufenweise Läuterung durch immerwährende Wiedergeburt möglich macht.
Viele Êzîden haben ihr Heimatland verlassen, Zehntausende wurden wegen ihres Glaubens vertrieben. Die Religionsgemeinschaft der Êzîden kommt ursprünglich aus Kurdistan; jetzt aber leben ungefähr 90 Prozent von ihnen in Europa.
Seit der sogenannten Irakkrise 2014 führte der Vormarsch der terroristischen Vereinigung Islamischer Staat im Norden des Iraks zu einer umfangreichen Flucht vor allem von Êzîden. Die Terrorgruppe betrachtet sie als Ungläubige, erklärt sie zu einer „heidnischen Religion aus vorislamischer Zeit“, verfolgte und ermordete sie. Gefangene Frauen und Mädchen wurden „legal“ zur Sklaverei freigegeben. Nach islamischem Recht sei dies gerechtfertigt. Das eigentliche Ziel dabei war und ist immer noch die völlige Auslöschung dieser Religion.
Der einzige Ausweg für viele Êzîden schien die Konversion zum Islam. Diejenigen, die sich weigerten, wurden an Ort und Stelle erschossen. Die Reaktion der Glaubensgemeinschaft darauf war, dass die Mitglieder, die unter Zwang konvertierten, nicht wie noch unter den Massakern der Osmanen aus der Gemeinschaft ausschlossen wurden, sondern ihnen die Rückkehr in den Glauben ermöglicht wurde. In Anlehnung an eben jene früheren Massaker nennen Êzîden die Taten der IS-Organisation ebenfalls Farman (Gewalttaten an Êzîden).
Laut der Einschätzung einer UN-Kommission vom Juni 2016 verübt die IS-Organisation an den Êzîden einen „Völkermord“. Durch Morde, Vergewaltigungen, Versklavungen und Aushungern versuche die IS-Miliz die êzîdische Bevölkerung auszulöschen. Der Leiter der Kommission, der brasilianische Diplomat Paulo Pinheiro, appellierte an den UN-Sicherheitsrat, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag mit der Verfolgung der verantwortlichen IS-Kommandeure zu beauftragen.
Feste – Newroz
Kurd*innen feiern auch die muslimische Feste wie Ramadan und das Zuckerfest, aber das Newroz-Fest steht für die kurdische Identität. Für jene Kurd*innen, die seit Jahrzehnten für einen eigenen unabhängigen Staat kämpfen, hat Newroz eine ganz besondere Bedeutung als Fest des Widerstandes.
Laut den Vereinten Nationen (UN) ist Newroz ein Fest, „das von mehr als 300 Millionen Menschen seit mehr als 3000 Jahren auf der Balkanhalbinsel, in der Schwarzmeerregion, im Kaukasus, in Zentralasien und im Nahen Osten gefeiert wird“. Seit 2010 gibt einen von den UN anerkannten Internationalen Newroz -Tag am 21.März.
Das kurdische Newroz – persisch Nouruz – gilt als eines der ältesten Feste der Menschheit. Es wird, je nach Sonnenstand, am 20. oder 21. März gefeiert und markiert den Anfang des Frühlings.
Einige Tage vor dem Newrozfest kommt die ganze Familie zusammen, um zu Hause Weizenkeimlinge auf einem Teller mit Wasser zum Keimen zu bringen. Zur selben Zeit werden auch Eier gefärbt. Ein Teil der Eier wird mit Zwiebelschalen gelb gefärbt, ein anderer Teil wird nach dem Kochen mit den Fingern rot angemalt. Dabei sind Streifen- und Punktmuster sehr beliebt. Zwei bis drei Tage lang werden die gefärbten Eier von den Kindern der Familie sorgfältig behütet.
Der letzte Mittwoch vor dem Newrozfest
Am letzten Mittwoch des alten Jahres gehen alle Familienmitglieder ins Freie auf die Wiese und nehmen Frühlingszwiebeln, Petersilie und andere grüne Kräuter mit, essen sie draußen und singen Fruchtbarkeitslieder. Die Geschenke der Erwachsenen werden gesammelt und verteilt. In einer anderen Gegend gehen alle Familien am letzten Mittwoch des alten Jahres auf das flache Dach ihres Hauses und zünden dort ein Feuer an. Alle Familienmitglieder springen über das Feuer, singen dabei Lieder und rufen dem
Feuer zu: „Meine Blässe und meine Krankheit gebe ich dir, deine Röte, deine Wärme gibst du mir.“
In einer anderen kurdischen Region wird am letzten Mittwoch vor Neujahr in jeder Wohnung und in jedem Haus mit großem Lärm Glas zerschlagen. Mit dem Lärm sollen die schlafenden Geister des Hauses geweckt werden. Dabei wird gesungen und gerufen: „Wir wissen, dass ihr Geister da seid, ihr sollt verschwinden und unsere Krankheiten, unsere Sorgen, unsere Streitigkeiten, Krieg und andere Übel mitnehmen.“ Danach müssen alle Menschen ihre Wohnungen verlassen und in den Garten oder auf eine Wiese gehen. Jedes Haus muss bis zum Anbruch der Dunkelheit leer bleiben, damit die geweckten Geister die Wohnungen verlassen und alles Schlechte mitnehmen können.
Während die Menschen im Freien zusammen sind, symbolisieren sie ihre Wünsche für das neue Jahr auf verschiedene Art und Weise. So legen beispielsweise diejenigen, die kein eigenes Haus besitzen, ihren Wunsch nach einem Haus in Form von Kieselsteinen unter einen Rosenstrauch. Andere Wünsche werden als Stoffstreifen an den Rosenstrauch gebunden.
Der 13. Tag nach Newroz
Der 13. Tag des neuen Jahres hat noch einmal eine besondere Bedeutung. Niemand darf zu Hause bleiben. Alle Familienmitglieder gehen nach draußen und machen Picknick an einer Wasserstelle. Auch Alte und Kranke werden mitgenommen. Das Wasser kann ein Bach, ein Fluss oder ein See sein. Die gekeimten Weizenkeimlinge, die einige Tage vor dem Newrozfest zum Keimen gebracht worden sind, werden in das Wasser gegeben. Dabei singen alle im Chor: „Unser Unglück, unsere Last, unsere Trauer, unser Streit soll mit dem Wasser davonfließen.“
Danach nehmen alle Familienmitglieder, Alte und Junge, Männer und Frauen, jeweils 13 Steinchen in die Hand und werfen sie im Wechsel über die rechte und die linke Schulter ins Wasser. Während man in einigen Regionen die Steinchen hinter sich wirft und ihnen nicht mehr nachschaut, wird in anderen Gegenden Kurdistans auf das Wasser geschaut und der Weg der Steine verfolgt. Beim Werfen wird jedem Stein ein persönliches Problem zugeordnet, welches jeweils gleichzeitig mit den einzelnen Steinen ins Wasser geworfen wird und vom Wasser weggetragen werden soll. Während die Steinchen das Alte, das Schlechte und die Last symbolisieren, stehen die grünen Weizenkeime stellvertretend für das Erwachen der Natur, neue Gefühle und neues Leben.
NEWROZ – Das kurdische Neujahrsfest
In deutscher Sprache bedeutet NEWROZ „neuer Tag“. Für die Kurden ist es das wichtigste Fest, weil sie mit ihm ihre nationale Zugehörigkeit und die Botschaft der Befreiung von Tyrannei und Unterdrückung demonstrieren.
An diesem Tag verjagt das Gute das Schlechte, die Freude die Trauer, das Leben das Sterben und die Wärme die Kälte. Am Vorabend des 21. März werden Feuer auf den Bergen angezündet, es wird gesungen und um das Feuer getanzt. Die Menschen feiern den ganzen Tag unter freiem Himmel. Das Neujahrsfest am 21. März symbolisiert den Beginn von Arbeit und Produktion. Zum Ursprung des NEWROZ-Festes existieren unterschiedliche Mythen. Hier die bekannteste Version: Vor vielen tausend Jahren gab es einen kurdischen Herrscher namens Dahak.
Auf seinen Schultern trug er zwei Schlangen. Der grausame Dahak fütterte die Schlangen mit den Gehirnen junger Männer, da er befürchtete, dass die Schlangen sonst sein Gehirn fressen würden. Jeden Tag mussten zwei junge Männer des Volkes getötet werden, um Dahaks Schlangen zu füttern. Jeder hatte nun große Angst um die männlichen Nachkommen. Doch bald konnte das Volk diese Grausamkeiten Dahaks nicht mehr ertragen. Der Schmied Kawa rief das Volk zum Aufstand auf. Am 21. März marschierte das Volk unter seiner Führung mit brennenden Fackeln zum Schloss des Tyrannen, machte es dem Erdboden gleich und tötete ihn und seine Schlangen.
Dieser Tag wurde von nun an NEWROZ genannt. Das NEWROZ-Fest hat für die im Exil lebenden kurdischen Familien eine sehr große Bedeutung und stellt einen kulturellen Höhepunkt im Jahr dar, an dem ihre Kultur und Gemeinschaft gepflegt wird. In der Nacht zum Neujahr, am 20. März, verkleiden sich zwei Frauen oder Mädchen als altes gebrechliches Ehepaar. Damit symbolisieren sie das vergehende Jahr. Sie tragen ihre Gebrechlichkeit theatralisch vor, stützen sich gegenseitig, sprechen mit zittriger Stimme und demonstrieren, dass sie bzw. das alte Jahr kurz vor ihrem Ende stehen.
So verkleidet, ziehen sie von Haus zu Haus. Sie erwecken das Mitleid der anderen und werden von den Bewohnern der Häuser mit Lebensmitteln beschenkt. Spaßeshalber wird das alte Paar, und damit das „alte Jahr“, mit Wasser übergossen, um es zu vertreiben. Am Abend wird ein großes Mahl aus den gesammelten Lebensmitteln zubereitet und im Freien gemeinsam verzehrt. Feuer werden angezündet, über die die Menschen springen.
Yezidische Bräuche
Auch bei den kurdischen Êzîden wird am ersten Mittwoch im April das Fest „Cejna Çarşembê Serê Nisanê“ gefeiert, an dem Gott dem Engel Taus (Melek Taus) den Auftrag gegeben hat, die Erde zu erschaffen und sie für die Lebewesen, Tiere, Menschen und Pflanzen, bewohnbar zu machen. Am ersten Mittwoch im April, dem Çarşembê sor (Roter Mittwoch), richten die Êzîden ihre Hauseingänge mit prächtigem Blumenschmuck her. Hühnereier werden bunt bemalt oder gefärbt, rot-gelb-weiß-grüne Bänder werden zusammengerollt und entweder als Armreifen oder als Haarschmuck getragen. Ebenfalls werden die bunten Bänder an Tierhörnern und an Getreidepflanzen befestigt. Der Himmelsbote Melek Taus, der an diesem Tag zur Erde geschickt wurde, wird damit um Beistand, Schutz und eine ertragreiche Ernte gebeten. Die Menschen befeuchten sich mit dem Morgentau, der sie verjüngen soll.
Der Monat April ist bei den êzîdischen Kurden ein heiliger Monat. In diesem Monat darf kein Haus gebaut und keine Hochzeit gefeiert werden. Der Monat April wird im Kurdischen „Buke Salê“ (Braut des Jahres) genannt.